title: |
Symmetrie in Wissenschaft und Kunst II - Symmetrie und Asymmetrie im Gehirn |
alt. title: |
Studium Generale: Symmetrie in Wissenschaft und Kunst |
creator: |
Preilowski, Bruno (author) |
subjects: |
Studium Generale,
Symmetrie,
Asymmetrie,
Gehirn,
Phylogenese,
Gehirnhemisphären,
Corpus callosum,
Balken,
Hemineglekt,
Split-Brain
|
description: |
Studium Generale Vorlesung, Montag, 29.04.2002 im Sommersemester 2002 |
abstract: |
Symmetrie und Asymmetrie im Gehirn
Symmetrische Muster und Objekte werden in der Wahrnehmung bevorzugt; sie werden
leichter entdeckt, schneller sowie genauer unterschieden und identizifiert und sie werden auch
besser erinnert. Eine naheliegende Erklärung wäre, diese Bevorzugung mit dem
symmetrischen Aufbau des Nervensystems und insbesondere des visuellen Systems in
Verbindung zu bringen. An einigen Beispielen kann man aber zeigen, dass Symmetrien auch
dann erkannt werden, wenn die beiden Hälften eines Objekts nicht auf homologe Bereiche des
rechten und linken Sehsystems projiziert werden. Das deutet darauf hin, dass im Gehirn ein
Mechanismus entwickelt wurde, der Symmetrien unabhängig von der prinzipiellen
morphologischen Symmetrie des Gehirns entdeckt. Tatsächlich finden wir beim Menschen für
die höheren Wahrnehmungsfunktionen - trotz symmetrisch positionierten Sinnes- und
Ausführungsorganen eine asymmetrische Verteilung der verarbeitenden und steuernden
Gehirnfunktionen, also beispielsweise bei symmetrisch angeordneten Ohren eine
asymmetrische Anordnung der höheren auditiven Gehirnfunktionen. Ähnliches gilt für
Denken, Lernen und Gedächtnis, und auch exekutive Funktionen wie Sprechen oder
Werkzeuggebrauch, die jeweils in rechter und linker Gehirnhälfte unterschiedlich
repräsentiert sind.
Im Vortrag wird versucht, die stammesgeschichtlichen Veränderungen des Gehirns zu
beschreiben, die von der morphologischen und funktionellen Symmetrie der meisten Tiere zur
Asymmetrie beim Menschen führten. Es wird angenommen, dass zunehmende Anforderungen
komplexer Verarbeitung zur Entwicklung von Gehirnen führten, die nicht nur Umweltreize
abbildeten und stereotype Reaktionen bereitstellten, sondern durch zunehmende Lernfähigkeit
das nur begrenzt vermehrbare neuronale Substrat variabel nutzen. Dieses höher entwickelte
Gehirn kann lernen zu lernen und ermöglicht eine vielseitigere, mehrdimensionale
Konstruktion der Welt im Kopf, die über den Moment hinausreicht und die Vergangenheit
ebenso mit einbezieht wie die Erwartung von zukünftigen Ereignissen. Die Variabilität in der
Verwendung von bilateral doppelt angelegten Hirnstrukturen ermöglicht schließlich eine
Deduplikation von Funktionen als Vorbedingung einer lateral asymmetrischen
Spezialisierung. Anhand von Untersuchungen über die Funktionen der Kommissurenbahnen,
die die beiden Großhirnhälften direkt miteinander verbinden, soll dann gezeigt werden, wie
die interhemisphärische Interaktion zur Spezialisierung der einen oder anderen Hälfte geführt
haben könnte.
Und schließlich sollen Mythos und Realität der Gehirnasymmetrie des Menschen
anhand von Befunden der experimentellen und klinischen Neuropsychologie diskutiert
werden. Zu häufig wird das Konzept der zerebralen lateralen Asymmetrie stark vereinfacht
und unkritisch verwendet: Es werden gewissermaßen die beiden Seelen in unserer Brust
einfach in die rechte und linke Gehirnhemisphäre verlagert. Neuere Untersuchungen
bestätigen zwar das grundlegende Phänomen der funktionellen Asymmetrie, zeigen aber ein
Bild, das viel komplexer und variabler ist als dasjenige, was zur Grundlage von
Geschäftemachereien im Bildungs- und Managementbereich- oder zur Propaganda für
Allheiltherapien herangezogen wird. Symmetrien und Asymmetrien im Gehirn sind noch
lange nicht ausreichend verstanden und bieten eine Vielzahl von interessanten Rätseln, deren
Lösung für die Klinik und den Alltag von großer Bedeutung ist.
|
publisher: |
ZDV Universität Tübingen |
contributors: |
Zentrum für Datenverarbeitung Universität Tübingen (producer),
Hoffmann, Volker (organizer),
Häfelinger, Günter (organizer)
|
creation date: |
2002-04-29 |
dc type: |
image |
localtype: |
video |
identifier: |
UT_20020429_001_symmetrie_0001 |
language: |
ger |
rights: |
Url: https://timmsstatic.uni-tuebingen.de/jtimms/TimmsDisclaimer.html?638810787079988968 |